Uwe Westphal

Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
Audio 1 – 2:33
Arbeitgeberverbandi
Betriebsrati
Arbeitgeberi
Bildungi
Tarifverhandlungi
Audio 2 – 2:25
Angestelltei
Audio 3 – 1:43
Auszubildendei
Solidaritäti
Audio 4 – 2:06
Schichtarbeiti
Migrationshintergrundi
In den Brauereien war es so, dass bei hohem Organisationsgrad eigentlich es nur darum ging: Dieses Jahr sieben Prozent oder neun Prozent oder, ne. „Ihr habt doch wieder jede Menge umgesetzt und jede Menge verdient, ne. Brauchen wir ja nur, äh, in den Geschäftsbericht zu gucken. Also ihr wollt doch nun nicht jammern, dass, äh, nicht und äh, Lebenshaltungskosten sind wieder um fünf Prozent gestiegen und an, an der Produktivität wollen wir auch teilhaben, also sieben.“ So. Was, was ich- Da hab ich auch noch so’n Erlebnis, zur Tarifverhandlung ’67? ’68. Da war das so, da war ja die erste Wirtschaftskrise in etwa überwunden, aber die Arbeitgeber haben natürlich geschrien: „Jetzt müssen wir erst mal vorsichtig sein mit den Lohnerhöhungen, denn äh, das geht ja nicht, sonst kommen wir ja in die nächste Krise.“ Und dann haben die minimale Abschlüsse getätigt, obwohl die alle Geld verdient haben bis zum geht nicht mehr. Und die Gewerkschaften haben sich da das erste Mal darauf eingelassen, und selbst da, wo die Brauereien nicht einen Pfennig weniger verdient haben, haben die gesagt, „Aber das passt nicht in die Landschaft.“ Ne, und da haben wir 2,8 Prozent abgeschlossen. Werd ich nie vergessen, ’68. Und in der Zigarettenindustrie war das noch ‘n viel, äh, größerer Unterschied. Die haben nun, die haben weiter dicke verdient, und da hat er, hat die Arbeitgeberseite auch gesagt: „Wenn wir, alle andern sind jetzt bei 2,5, 2,8, maximal 3,1, und wenn wir jetzt sieben Prozent wieder abschließen wie im letzten Jahr, da fallen wir raus. Da schimpfen die, da fallen die ganzen Arbeitgeberverbände fallen alle über uns her. Tut uns einen Gefallen, macht das nicht!“ Haben die Gewerkschaften gesagt und die, äh, die Betriebsräte. Gerhard Willhausen, einer der ganz Großen, kommt heute auch noch zu meinen Senioreversammlungen. Die haben denn gesagt: „Jajajajajajaja, aber schenken tun wir euch das nicht.“ – „Ja wie sollen wir denn das machen?“ – „Wir machen jetzt einen Bildungswerk Cigarette. Und da zahlt ihr diese Differenz ein (pocht wiederholt auf den Tisch), von sechs oder acht Millionen oder so, und da, da werden jetzt, äh, Weiterbildungen veranstaltet. Dieses Bildungswerk Cigarette gibt’s noch heute.
Und denn hat der Juniorchef zu meiner Mutter gesagt, „Ja, das ist ja, wir würden ihn einstellen, aber, der ist ja man so dünn und äh, bei uns gibt’s manchmal schwere Sachen zu tragen so äh, ne, Bohrmaschinen oder auch mal Öfen und Herde und so. „Ach“, sagt sie, „der sieht nur so klapperig aus, der ist ganz schön zäh.“ So, und dann haben sie mich eingestellt. Da hab ich dann meine Lehre gemacht, bei August Landahl und Sohn. Und damals war das so, dass mein Lehrchef, sowohl der Senior als auch der Junior, die sprachen dich mit Sie an, aber nicht mit Herr. Sondern die haben gesagt, „Westphal, können Sie mal bitte diese Sandschaufeln da weiterreichen“, nicht. Und insbesondere der Juniorchef, der war damals so um die Mitte 40, vielleicht war er auch schon, war auch Mitte 40 bald, der legte großen Wert darauf. So und ist, er legte Wert darauf, dass wir alle eine Krawatte trugen. Also gebügeltes Hemd, Krawatte, dann den grauen Kittel da drüber, der war immer schiettig von den ganzen Schrauben und Nägeln und Krempel, aber Krawatte war, war wichtig. So, und als Angestellter oder als Kommis zähltest du nicht, wenn du jetzt deine Prüfung bestanden hast, sondern du zähltest erst als Angestellter, wenn du den Tresensprung geschafft hattest. (pocht wiederholt auf den Tisch) Das war ein Tresen, so’n Verkaufstresen, der war so 90 Zentimeter hoch, 70 Zentimeter breit, und davor war so ’ne kleine Glasvitrine, da waren denn so die edleren Sachen, äh, Lötlampen und so was ausgestellt. Und der Sprung war nicht so schlimm, das war nur, das gefährliche war, du durftest nicht in diese Vitrine treten, also du musstest schon richtig mit Schwung über diesen Tresen springen, und da war natürlich die ganze Mannschaft dabei und end-, wenn du den geschafft hattest, dann hat er gesagt, „Herr Westphal, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer bestandenen Prüfung!“ Solche Sitten gab das da noch. Bei den Brauern, bei, bei Werner Henne, bei den Brauern war das noch viel schlimmer, die, das war ’ne richtige Zunft.
Früher bist du als Brauer, als Bräuknecht mit fünfzehn angefangen, und denn haben wir gesagt, „Hör mol tou, bis du schon in’n Verband?“ – „Nee, wat is dat?“ – „Ja, Gewerkschaft, NGG, (pocht wiederholt auf den Tisch) musst du eintreten, sonst hast du hier keine Chance. Äh, unterschreib mal hier den Zettel, grünen Schein.“ So. Und dann hat der auch unterschrieben. So. Äh, wenn, wenn wir dann geworben haben, und da waren dann, da kamen dann die Edelazubis dazu, die machten dann so was wie die fachlicher oder praktischer Betriebswirt oder so war das, oder auch, äh, sag ich mal, ganz normale Industriekaufleute. Ja, die waren dann 21, 22, das waren ja manchmal noch, äh, Kukis, Kundenkinder. So. Ja, die haben sowieso gedacht, äh, brauchen wir alles nicht, ne. Äh, und wenn du denn zu denen dann gekommen bist und hast gesagt, „Wie sieht‘s denn aus mal mit’m Gewerkschaftsbeitritt?“ Dann oooh, dann haben die erst mal widersprochen, dann haben sie erst mal so: „Was hab ich davon?“ Dieser Solidaritätsgedanke, der ist verloren gegangen, ne. Heute ist alles: Was hab ich davon? So. Wenn du heute dir ’ne Gewerkschaftszeitung aufschlägst, dann ist da mindestens eine Seite, was du alles extra, du kannst billige Autoreifen kriegen, du kannst billige Autos kaufen, du bist dann versichert, Reiseversicherung, und und und. Du kannst billig, ääääh, billiger fahren mit, mit, äh, GEW, also ne, Gemeinnütziger Erholungswerk. Und solche Dingen werden in den Vordergrund gebracht und es wird zu we-, zu wenig über den Solidaritätsgedanken gesprochen.
Bei uns haben angefangen in den 50, Ende der Fünfziger Jahre Italiener. Dann kamen die Spanier, dann kamen die Portugiesen, dann kamen die Jugoslawen und dann erst kamen die Türken. Das gab bei uns mit Ausländern kein Problem. Wenn bei uns jemand Jubiläum hatte, dann saßen nicht hier die Deutschen und da die Gastarbeiter. Das war immer im Hamburgzimmer ein völliges Durcheinander. Die saßen so wie sie gemeinsam Maschinen bedient haben oder so. Das hing aber damit zusammen, dass bei uns alle gleich behandelt wurden, alle gleich verdient haben. Es gab keinen Unterschied. (pocht auf den Tisch) Es gab ja keinen, keine Zeitarbeiter oder wenn jemand bei uns anfing, dann war er fest angestellt. Nun war es ja auch so: Wer wollte in den Sechziger und Siebziger Jahren schon gerne Schicht fahren? Morgens, ja, Frühschicht oder Spätschicht, Nachtschicht hatten wir bei uns nur im brautechnischen Bereich, aber Frühschicht, Nachtschicht (pocht wiederholt auf den Tisch) auch noch sonnabends arbeiten, wenn da Hochsaison war und die Sonne stand am Himmel auch vielleicht noch mal sonntags arbeiten. Das hat ja kein Deutscher gemacht, nicht so gerne, lieber was anderes, ne. Und dann gab’s immer, haben sie gesagt, also bei Vollbeschäftigung konnte man sich das aussuchen. Und dann sind, sind sie halt gekommen, ne. Was hat Max Frisch mal gesagt, äh, „Arbeitnehmer haben wir gesucht, und Menschen sind gekommen.“ So und da waren ja dann, äh, (pocht auf den Tisch) Kinderweihnachtsfeier machten wir. Da hatten wir damals noch 40, 400 Kinder. Die kriegten alle ’n Geschenk, da wurde Kasperletheater vorgeführt, da gab’s Kaffee und Kuchen, da gab’s nicht irgendwelche Cliquenwirtschaft, die saßen alle zusammen, weil, sie waren alle im gleichn Status, die äh, sie haben alle das gleiche Geld verdient und haben die gleiche Arbeit gemacht.
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Uwe Westphal wurde am 23. Juni 1938 im Hamburger Stadtteil St. Pauli geboren. 1953 begann er eine Lehre als Eisenwarenhändler. Nach mehreren Firmenwechseln arbeitete er ab 1966 als kaufmännischer Angestellter bei der Bavaria Brauerei in St. Pauli, wo er bis 1999 beschäftigt war.

Westphal trat der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) bei und wurde in den Betriebsrat gewählt, dem er bis zu seinem Renteneintritt angehörte. 1979 wechselte er zur Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und wurde stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Mitte der 1980er Jahre wurde er als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat gewählt.

Nach einem Eigentümerwechsel Anfang der 1990er Jahre organisierte Westphal den Widerstand der Belegschaft gegen die geplante Stilllegung des Standortes, wodurch das Werk erst 2002 geschlossen wurde.

Innerhalb der Gewerkschaft war Westphal in verschiedenen Ämtern tätig, zuletzt als Sprecher der NGG-Hauptrevision.

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