Ich habe in einem Betrieb gearbeitet, das waren damals 1.600 Beschäftigte, die Industriebau Wernigerode GmbH, und dieser Betrieb der stand dann auch vor der Privatisierung, so wie die gesamte Volkswirtschaft und das war auch eine Zeit, wo wir als Gewerkschaften eine richtige Macht waren im Betrieb, also da ging nichts an uns vorbei. Und alle Dinge, die die damalige Direktion dieses Betriebes machen wollte, die haben die mit uns abgestimmt, weil es gab andere Beispiele, wo sie die Geschäftsleitung, die Direktion dann weggejagt haben. Die Beschäftigten haben die weggejagt, haben gesagt: „Euch wollen wir nicht!“, und die sind dann auch gegangen, da gab es auch keine Widerstände da. Die Arbeitnehmer hatten da eine wahnsinnige Macht. Dann kam dann die Beratung mit der Treuhand, die Verkaufsverhandlungen mit der Treuhand, das war so ziemlich mit auch eine bittere Zeit in meinem Leben, wo dann auch eine große Zahl von Entlassungen vorgenommen wurden, wie das insgesamt in der DDR war. Man hat sich also dann, wie gesagt, wie man so schön sagt, auf die Kerngeschäfte konzentriert, während die Firma ja zu DDR-Zeiten, musste sie viel breiter aufgestellt sein, da gab es Auflagen vom Staat Konsumgüterproduktion zu machen, also irgendwie, welche Dinge, die auch wirklich nicht reingehörten in so ein Geschäft, davon hat man sich dann getrennt. Es wurden auch Teile, die heute völlig selbstständige Bereiche sind, wurden ausgegliedert. Das sind eben auch ... hat dazu geführt, dass im Prinzip dieser Betrieb von 1.600 auf so gute 600 geschrumpft wurde. Wir haben dann Sozialplanverhandlungen gemacht. Muss man auch deutlich sagen, dass auch die damaligen Chefs recht sozial eingestellt waren. Wir haben also versucht da auch das Maximale im Prinzip rauszuholen. Trotzdem hat man sich von den Leuten getrennt, egal ob es dann Geld für gab oder nicht. Die Leute waren weg, die hatten ihre Arbeit verloren. Dann haben wir alle noch so eine Mentalität gehabt: „Wer im Westen ..., wenn du arbeiten willst, dann kriegst du auch Arbeit.“ Aber hier sind hunderttausende von Menschen auf einen Schlag arbeitslos geworden und da war die Situation nicht so, von wegen, dass man: „Wer arbeiten will, der kriegt auch Arbeit!“, das war schon eine sehr schwierige Zeit und viele von den Kolleginnen und Kollegen, die da gehen mussten, die waren dann sehr lange arbeitslos und haben also da nicht wieder richtig einen Fuß auf die Erde gekriegt. Ja und ich war dann in diesem Betrieb, wurde ich zum Sprecherratsvorsitzenden. Einen Betriebsrat gab es noch nicht. Es gab ja auch kein Betriebsverfassungsgesetz. Eine BGL wollte keiner mehr und dann war es so ein Hilfsgremium, hier so ein Sprecherrat, haben wir dazu gesagt, wurde ich zum Sprecherratsvorsitzenden gewählt. Und das war für mich auch beeindruckend. Da war ich einer der wenigen, der vorher BGL-Vorsitzender war und der dann trotzdem auch dort zum Sprecherratsvorsitzenden gewählt wurde. Das war also bei den meisten, egal ob sie was gemacht haben oder nicht, war so eine allgemeine Tendenz: Die Alten müssen erst mal alle weg! Und dabei sind auch viele sehr gute Kollegen dann in die Wüste geschickt worden. Das war schon spannend. Ja, dann habe ich versucht hier auch die Kontakte zu unserer Partnergewerkschaft in, ich sage mal, im Westen aufzunehmen. Man konnte ja dann auch in die Bundesrepublik fahren, als es noch zwei deutsche Staaten gab. Ich habe dann die Kontakte aufgenommen zur IG Bau-Steine-Erden in Braunschweig und in Goslar und die Kollegen der IG Bau-Steine-Erden in Braunschweig, die haben uns dann in den darauf folgenden Monaten sehr unterstützt überhaupt erst mal ein bisschen etwas kennenzulernen, was denn jetzt für Gesetze und Möglichkeiten in dieser Marktwirtschaft, in diesem neuen System gelten. Wir haben also viele Schulungen organisiert. Ich habe mich mit Kollegen in anderen Betrieben in Verbindung gesetzt. Das war alles damals nicht so einfach, weil Telefon zu Hause hatte man nicht, ja das war schon ein bisschen schwierig, aber es hat irgendwie alles geklappt und dann wurde am Wochenende, haben wir Schulungen gemacht in unserem Kinderferienlager. Wenn man heute so zurückdenkt, das ist ein Kinderferienlager wo Zwölf- und Vierzehn-Mann-Zimmer sind mit einer Dusche, quatsch, mit Toilette und Dusche auf dem Flur, da stehen Doppelstockbetten drinnen und wir waren voll. Die Leute wollten kommen, am Wochenende, ohne Bezahlung, ohne irgendwas sind die ... Also sie wollten was wissen, sie wollten wissen, wie geht das hier weiter. Und dann haben die Kollegen aus Braunschweig, die taten mir manchmal ein bisschen leid, die sind dann dahin gekommen, denen wurde ein Loch in den Bauch gefragt. Das waren also richtig tolle Schulungen, wo man auch gemerkt hat, die Leute gieren richtig danach, was zu erfahren, was zu wissen. Ja und dann haben wir da mehrere Dinge organisiert. Die Kollegen haben dann auch uns viel, viel Unterstützung gegeben. Dann haben wir die ersten alten Betriebsverfassungsgesetze – die passten zwar nicht mehr ganz so, aber so erst mal um sich rein zu lesen, war das schon spannend – bekommen. Ja dann kam die deutsche Einheit, dann galten mit einem Tag auf den anderen, galten dann auch die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland bei uns. Und wir haben dann Betriebsratswahlen durchgeführt. Ich wurde dann zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Und in dieser Phase hat mich dann der Kollege, der bei uns so die ganzen Schulungen durchgeführt hat, es war ja schon fast ein Jahr vergangen da, der hat mich dann angesprochen und hat gefragt: „Mensch, wir müssen uns jetzt darum kümmern, dass wir Leute kriegen, die auch in den neuen Ländern, in der ehemaligen DDR unsere IG Bau, unsere gewerkschaftlichen Strukturen der IG Bau-Steine-Erden aufbauen. Haste nicht Lust bei uns anzufangen?“ Na, nun war das eine Zeit wo, wie gesagt, eine sehr hohe Arbeitslosenzahl, viele Leute sind gekündigt worden, ich war frisch gewählter Betriebsratsvorsitzender, ich hatte erst mal fünf Jahre Sicherheit vor mir, das war zu der Zeit, war das ein richtiges Pfund. Dann haben wir gesagt: „Gut, aber wenn du nochmal was Neues anfangen willst in deinem Leben, dann musst du es jetzt machen, sonst bist du nachher zu alt“, und die Aufgabe hat mich auch gereizt, weil das war einfach spannend, das hat einfach Spaß gemacht, auch die gewerkschaftliche Arbeit zu machen. Dann sind wir eingeladen worden, von der IG Bau-Steine-Erden, zu einem Auswahlseminar. Dann wurden wir eine Woche lang auf Herz und Nieren geprüft und dann habe ich im März ´91 eine Ausbildung gemacht, bei der IG Bau-Steine-Erden, für ein Jahr und war dann in Bayern mal drei Monate, drei Monate in Hessen und war dann auch hier in Nordhausen mal für drei Monate, um so ein bisschen Learning by Doing zu machen. Und dann bin ich nach diesem einen Jahr, bin ich hier nach Magdeburg gekommen. Mein Vorgänger hier in Magdeburg war Klaus Wiesehügel, unser heutiger Bundesvorsitzender, der war hier Geschäftsführer in Magdeburg. Und der wurde dann in dem Jahr in den Bundesvorstand gewählt, und ich habe den Klaus dann hier praktisch abgelöst als Geschäftsführer der IG Bau-Steine-Erden. Und da muss ich sagen, das war für mich ja auch nun was völlig anderes und das war einfach eine tolle Zeit, wenn wir eingeladen haben zu Versammlungen zu dem damaligen Zeitpunkt, dann haben die Räume oft nicht gereicht. Da mussten Leute stehen, weil wir nicht genügend Stühle da hatten. Wir haben Dinge auch in den Betrieben machen können, wo also die Leute bereit waren sich zu wehren gegen irgendwelche Ungerechtigkeiten. Oder ich denke noch dran: Wir hatten hier unser größter Betrieb in Magdeburg, das war die Magdeburger Hochbau AG, die sollte privatisiert werden und dann haben die Leute da Sturm gelaufen gegen den, der da Käufer war. Dann haben sie ... Da war der Herr Rexrodt mal hier zu Besuch in der Firma, dann haben die den festgesetzt, haben im Prinzip die Türen zugemacht und haben gesagt: „Sie kommen hier nicht eher raus, bevor es hier eine Lösung gibt für die Magdeburger Hochbau AG, die sie auflösen wollten. Also die Leute hatten Mut, die Leute haben sich was getraut, auch manchmal über das Ziel hinausgeschossen dabei, aber es war einfach so, es war viel Bewegung. Es gab dann richtige Niederschläge. Wir haben hier unser ganz großes Bauunternehmen mit 1.000 Beschäftigten hier in Magdeburg gehabt, die richtig gesund waren, die richtig Geld hatten. Da hatte sich die damalige Direktion beworben, das zu kaufen über Management-Buy-out. Das hat der Betriebsrat, das haben die Beschäftigen alle auch mit befürwortet und wollten das. Und dann hat die Treuhand gesagt: „Nein! Ihr habt keine Erfahrung“, die waren jahrelang Geschäftsleiter, die waren Bauleiter in diesem Unternehmen, „Ihr habt keine Erfahrung!“, und dann wurde das verkauft an einen Düsseldorfer Bauunternehmer, wie sich dann im Nachhinein rausstellte, bestand das aus seiner Frau und ihm, das Bauunternehmen. Der hat dann die vorläufige Geschäftsführungsbefugnis gekriegt, hat die Konten geplündert und hat sich dann irgendwo da nach Südamerika abgesetzt und dann ist diese große Bude krachen gegangen, die Komplexbau Magdeburg GmbH. Das waren dann auch so Erfahrungen, wo man hilflos war, wo man einfach nicht wusste, was kann man jetzt machen.