Hermann Rappe

IG Chemie-Papier-Keramik
IG Chemie-Papier-Keramik
Video 1 – 5:03
Betriebsgewerkschaftsleitungi
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)i
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)i
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)i
Staatssicherheitsdiensti
Video 2 – 4:34
Arbeitgeberverbandi
Angestelltei
Arbeiter_ini
Tarifvertragi
Video 3 – 2:54
Streiki
Arbeitgeberverbandi
Noch eines ... Bemerkung zur gewerkschaftlichen Sache. Als wir im Januar die Fusionsgeschichten besprochen haben zwischen Ostchemiegewerkschaft und Westchemiegewerkschaft hatte die Ostchemiegewerkschaft, ich will jetzt mal rund sagen 460 Beschäftigte. Davon waren rund 300 Betriebsgewerkschaftsleitungsmitglieder, es gab ja eine andere Gewerkschaftsorganisationsform, Betriebsgewerkschafts… und etwa 100, 130, 140 waren in Gewerkschaftsbüros außerhalb der Betriebe, die normalen regionalen Büros. Ich hab dann damals in einer Konferenz in Halle der ostdeutschen Gewerkschaft, dem Gewerkschaftstag der ostdeutschen Gewerkschaft, die Edith Weber war sofort zurückgetreten, Löschner wurde dann Vorsitzender und 'n anderer Vorstand gewählt, gesagt, also die 300 Betriebsgewerkschaftsmitglieder übernehmen wir nicht, die 140 außerhalb der Betriebe Tätigen in Gewerkschaftsbüros, regional, übernimmt die IG Chemie mit der Fusion. Dann haben wir die 140 eingeladen nach Buna ins Feierabendhaus und den 140 habe ich eine Rede gehalten, an die ich mich noch sehr genau erinnere und mancher andere von da drüben auch, die inzwischen ja auch alt geworden sind wie ich, dass ich gesagt habe, erstens, ich rieche Kommunisten auf hundert Meter Entfernung, und zwar aufgrund ihrer Sprache und Diktion, zweitens, wer etwas mit der Geheimpolizei am Hut hat, oder da eine Rolle gespielt hat, dem rate ich, auf eine Anstellung bei der IG Chemie zu verzichten. Da sitzt mein Hauptkassierer, Egon Schäfer, der damals mein Hauptkassierer hier im Hause war und Personalfachmann, dann geht zu dem und regelt euren Abgang, eure Entlassung und so weiter und so fort. Sollte einer danach noch sichtbar werden, der bei der Stasi gearbeitet hat und das verheimlichen, den werden wir fristlos entlassen später. Drittens, wer in der SED war und das wart ihr alle, die können nix dafür. Es konnte ja sein, ich bin in Hannoversch Münden geboren, ich hätte auch auf der andern Seite der Werra geboren sein können und wäre unter Umständen auch drüben in der Lage gewesen. Wer in der SED war, kann bei uns unterkommen, das ist nicht der Punkt. Das musstet ihr alle sein, aber alter Wein in neue Schläuche nicht mehr. Ab heute ist Feierabend, da liegen die Aufnahmescheine der SPD (kleine Pause) oder der CDU, wenn ihr wollt, wer da rein will. Wir stellen euch alle ein, aber alter Wein in neuen Schläuchen nicht. Und verheimlichen Stasi auch nicht, ansonsten könnt ihr alle eingestellt werden. Die, die nicht wollen, oder aus ihrer eigenen Überlegung den Schatten nicht überspringen können, die sollten Montagmorgen um acht nicht im Büro sein. Wer das will, sollte auch zu Egon Schäfer sein … und seine Kündigungsregelung mit normalen Kündigungsfristen und Entlassungspapiere und Überbrückungsgeld ausscheiden, in Ehren, aber ausscheiden, wenn er will. Es kann ja sein, dass jemand so sehr überzeugt ist von seinem System, dem er gedient hat, dass er nicht in ein neues System von uns will. Aber die, die wollen, die sind Montagmorgen um acht im Büro und von allen, die Montagmorgen im Büro sind, von denen gehe ich aus, dass sie ehrlich und offen mit uns zusammenarbeiten wollen.
Wissen Sie, bis in die 70er Jahre gab es Arbeitertarifverträge und Gehaltstarifverträge, Beamte sowieso für sich. Lohntarifverträge – Gehaltstarifverträge. Dem gemessen, gab es eine Arbeiterrentenversicherung der Sozialversicherungsanstalten und eine Bundesanstalt für Angestellte in Berlin, die BfA. Auch in anderen Gesetzen gab es diese Unterscheidung. In der Chemie, in der Industriegewerkschaft Chemie, die einen Riesenwandel von Arbeiter- zu Angestelltengewerkschaft ja mitgemacht hat in ihren über hundert Jahren, gab es in den 60er, 70er Jahren immer mehr Fälle, die uns hier im Hause bewegt haben, na, sozusagen der … ich habe der Sache sozusagen die Schelle um den Hals gehängt, um das bekannt zu machen. Ich will mal ein Beispiel sagen. Wissen Sie, ein Angestellter im Büro hat 'ne Schreibtischunterlage, 'n paar Aktenordner und 'n Kugelschreiber verwaltet. Und der gewerbliche Arbeitnehmer in der chemischen Industrie oder in der Erdölindustrie oder Raffinerie verwaltete eine Anlage von 100.000 Mark oder 3 Millionen Mark, eine Hydrieranlage. Der war Arbeiter, der war Angestellter. Ich hab diese Diskussion dann in Gang gebracht und hab gesagt, das ich doch … das ist unerträglich. Das geht nicht so weiter! Wir müssen einen ... einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff schaffen. Und das ist in dieser Gewerkschaft entwickelt worden zu meiner Zeit – einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff. Voraussetzung war, mit dem Arbeitgeberverband der chemischen Industrie und pharmazeutischen Industrie eine Vereinheitlichung der Lohn- und Gehaltstarifverträge zu machen. Wir haben einen achtjährigen Stufenplan entwickelt damals, weil ja zwischen den Angestellten- und Arbeiterlöhnen es Differenzierungen gab, außer Schichtzulagen oder Nachtschichtzulagen, aber im Grundlohn und Grundgehalt haben wir einen achtjährigen Stufenplan gemacht zur Angleichung und dann haben wir die Lohn- und Gehaltstarifverträge abgeschafft und an die Stelle Entgelttarifverträge geschaffen, die Arbeiter und Angestellte gleich behandelten in der chemischen Industrie nach diesen Jahren. Die größten Gegner für dieses Konzept waren nachher nicht die Unternehmer, Sie werden lachen, es waren eigentlich unsere Kollegen selbst. Wissen Sie, dieser gottverfluchte Standesdünkel der Angestellten. Ich hab immer in den Versammlungen, ich hab ja, ich weiß nicht wie viel Versammlungen runter, rauf in den Betrieben, um dies zu erläutern, das in die Köpfe zu kriegen, nicht wahr, hab ich gesagt, ich weiß, dass die Frau des Angestellten im Schlachterladen nicht mehr sagen kann, mein Mann ist Angestellter und dein Mann ist nur Arbeiter. Das ist vorbei. Alle gleich. Und dieses … danach wurden, als das im Gange war und realisiert war die Tarifverträge, wurde die Arbeiterrentenversicherung abgeschafft und wir haben heute die einheitliche Altersvorsorge, die einheitliche Sozialversicherungsform.
Die Streikauseinandersetzungen der IG Chemie waren in den 60er Jahren und Anfang der 70er Jahre, 1972, danach begann eine Partnerschaftsphase, die bis heute anhält. Diese Partnerschaftsphase habe ich dann auch sehr vertieft mit, nicht nur mit dem Arbeitgeberverband der Chemie, sondern auch mit den andern Arbeitgeberverbänden Papier oder Glas oder Keramik und so weiter und Kautschuk. Die Partnerschaftsidee fußte bei mir oder bei meinem Vorgänger Karl Hauenschild oder bei Schmoldt nach ... nach mir im Wesentlichen auf der Erkenntnis, dass man auch bei unterschiedlichen Positionen und bei Beibehaltung des Gegnerbezugs in der Tarifaus… ganz normalen Auseinandersetzung der Interessen selbstverständlich anerkannt, dass Partner auf gleicher Augenhöhe verhandeln. Ich will Ihnen mal meine Philosophie insofern sagen, Partner ziehen sich nicht gegenseitig übern Tisch und der eine Partner schneidet dem andern Partner nicht die Nase aus'm Gesicht, denn eine Schwächung meines Gegenüber, meines Partners gegenüber bedeutet auch eine Schwächung des Gegnerbezugs. Ich kann kein Interesse haben an einem schwachen Arbeitgeberverband, und ich denke, er kann kein Interesse haben an einer schwachen Gewerkschaft. Nur starke Partner können Kompromisse machen, schwache Partner nicht. Schwache Partner hauen aufeinander los. Es gibt nichts Einfacheres als Konfrontation. Also 'ne Rede halten auf'm Marktplatz, 'ne konfrontative Rede halten, nu, das kann ich jeden Morgen, mittags und abends. Eine partnerschaftliche Rede unter Wahrung der Interessen und eine Kompromisssuche, ich will das mal im politischen Bereich sagen, habe ich immer auch in vielen politischen Veranstaltungen gesagt und das ... das ... Gerhard Schröder hat das damals auch aufgenommen, die Demokratie lebt vom Streit, aber sie stirbt ohne Konsens. Das ist bei mir eine ... eine Grundauffassung. Das hängt mit Partnerschaft zusammen. Partnerschaft ist keine Gemeinschaftsduselei. Partnerschaft ist eine Sache gleicher starker Partner.
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Hermann Rappe wurde am 20. September 1929 in Hannoversch Münden als Sohn eines Metallarbeiters geboren. Nach der Mittelschule absolvierte Rappe eine Lehre bei der ortsansässigen Konsumgenossenschaft. 1946 trat Rappe in die Sozialistische Jugend und die Arbeiterwohlfahrt ein, ein Jahr später in die SPD und die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. 1953 wechselte er als hauptamtlicher Mitarbeiter zur IG Chemie-Papier- Keramik (IG CPK) nach Hannover. Es folgten Stationen als Bezirkssekretär im Bezirk Niedersachsen und als Sekretär beim Hauptvorstand der IG CPK.

1966 wurde Hermann Rappe in den Hauptvorstand gewählt und bekleidete ab 1978 das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden, bevor er 1982 zum Vorsitzenden gewählt wurde. Mit dieser Wahl erfolgte im selben Jahr die Wahl zum Vizepräsidenten der Internationalen Föderation von Chemie-, Energie- und Fabrikarbeiterverbänden (ICEF) sowie zum Präsidenten der Europäischen Föderation von Chemiegewerkschaften. Im Jahr 1988 übernahm Rappe dann die ICEF- Präsidentschaft. Aus allen drei Ämtern schied er 1995 aus.

Rappe machte sich einen Namen durch seine dezidiert antikommunistische und sozialpartnerschaftliche Einstellung. Besonders in der Tarifpolitik gelangen durch Rappes Einfluss nachhaltige Erfolge wie die Einführung eines einheitlichen Tarifvertrags für Arbeiter und Angestellte im Jahr 1987. Zu weiteren Herausforderungen seiner Amtszeit zählten der Umbau der chemischen Industrie nach der Wiedervereinigung und die Fusion der IG CPK mit der IG Bergbau und Energie zur IG Bergbau, Chemie, Energie.

Parallel zum Aufstieg in der Gewerkschaft begann Rappe seine politische Laufbahn: Zwischen 1972 und 1998 vertrat er die SPD als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Hildesheim im Bundestag, wo er unter anderem von 1977 bis 1982 Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung war.

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