Der dritte … das dritte organisationspolitische Vorhaben war ver.di und damit denn auch das Ende der IG Medien. In den 90er Jahren zeichneten sich weitere Veränderungen im DGB ab, (kleine Pause) ganz überwiegend nicht etwa auf dem Hintergrund dieses mehr oder weniger organischen Zusammenwachsens der IG Medien. Also die IG Medien war immerhin die Antwort auf eine Branchenveränderung. Insofern war sie zwangsläufig, um Willy Brandt zu zitieren, das wuchs zusammen, was zusammen gehörte, bei der Gründung der IG Medien. Bei den Fusionen der 90er Jahre ging’s im Grunde ums nackte Überleben. Also als die Gewerkschaft Textil sich entschloss, unter die Fittiche der IG Metall zu krabbeln (leicht lachend) oder die Gewerkschaft Holz und Kunststoff, ging’s im Grunde darum, dass man erkannte, alleine schaffen wir's nicht mehr. Und ein Stück weit war das auch bei der ver.di-Gründung der Fall. Auch wir hatten Probleme, Mitgliederrückgang, obwohl der gar nicht mal so dramatisch war. In Parenthese: Die Gewerkschaften werden immer gemessen, das ist auch so eine statistische Lüge, wann immer Mitgliederstatistik aufgemacht wird in der Zeitung, ist das Basisjahr immer 1990. Da werden dann zugerechnet den westdeutschen Gewerkschaftsmitgliedern 3 Millionen Ostdeutsche, die im Grunde nur Karteileichen waren, die nie real ... real Mitglieder gewesen waren. Und die auch innerhalb von anderthalb Jahren im Wege der Bereinigung wieder verschwanden. Wenn ich das jetzt mal rausrechne, dann ist der Mitgliederschwund unterproportional gemessen am Verlust von Arbeitsplätzen, aber es war ein Mitgliederschwund. Es war ein Sinken der Beitragseinnahmen bei gleichzeitig weiteren Herausforderungen, mit denen vielen Gewerkschaften zu kämpfen hatten, auch wir. Unsere Antwort war … Nein, ein zweiter Treibsatz für Veränderungen im DGB war im Grunde die Erkenntnis, dass das Fundament, auf dem die Industriegewerkschaften nach 45 wieder gegründet worden waren, erodierte. Es gab festgefügte Branchen. Es gab festgefügte Industriebetriebe. Die DGB-Gewerkschaften sind … waren Industriegewerkschaften, im Dienstleistungssektor eh kaum vertreten oder schwach, schwach vertreten, außer dem öffentlichen Dienst, und es war eine festgefügte Basis Industriebranchen, Industriebetriebe, vor allen Dingen Großbetriebe mit industrieller Arbeiterschaft. Das war der Kern der Gewerkschaftsmitgliedschaft. Das war auch die … die … die Basis für Auseinandersetzungen, die Machtbasis, die Gegenmachtbasis der Gewerkschaften. Dieses Fundament zerbröselt. Das war in den 90er Jahren spürbar durch einen, a) eine Gewichtsverlagerung zum Dienstleistungssektor, auch quantitativ. Wir sind nach wie vor ein Industriestandort, werden das auch weiter bleiben, aber die Bedeutung der Industrie nimmt quantitativ und qualitativ ab. Der Großbetrieb dominiert längst nicht mehr überall. Es gibt auch viele Unternehmerstrategien der Zellteilung im Betrieb, auch um den Betriebsräten das Leben schwer zu machen. Es gibt einen Branchenwechsel. Es gibt Multibranchen, Unternehmen und Konzerne, heute der Branche zugehörig, morgen der anderen. Es gibt eine Verflüssigung des betrieblichen Arbeitsverhältnisses, der Machtbasis für Betriebsratsarbeit, nicht nur durch Prekarisierung, also auch Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses, sondern auch durch neue Formen freiberuflicher Arbeit beispielsweise, Werkvertragsarbeit, Leiharbeit. Also alles das sind Erosionsentwicklungen, die die Basis gewerkschaftlicher Gegenmachtsbildung aufs ernsteste in Frage stellen oder gefährden. Es gibt Gewerkschaften, die nach wie vor fest verankert sind wie die IG Metall, die bisher relativ wenig davon berührt sind, aber andere Gewerkschaften, namentlich meine, unsere im Drucksektor ist heftig davon gebeutelt gewesen, und das gilt für Textil und andere in gleicher Weise. Also nicht nur der finanzielle Druck, sondern auch die Tatsache, dass man … dass die Basis gewerkschaftlicher Arbeit nicht mehr die stabile Struktur hatte, wie das noch in den 50er Jahren der Fall war oder in den 60er Jahren, war zwingender Anlass zu überlegen, wie denn die Gewerkschaften in Zukunft sich reformieren müssen.